Von Dynamo bis Rammstein: Dieser Liegauer ist Chef der Sicherheitsfirma „Ihre Wache“

Der Liegauer Martin Linnemann führt ein Sicherheitsunternehmen mit 300 Mitarbeitern, das unter anderem die Rammstein-Konzerte und Spiele von Dynamo Dresden abgesichert hat. Wie er auf die Branche blickt und worauf er stolz ist.

Alles begann mit American Football: Als die Mannschaft Saxonia Monarchs – heute Dresden Monarchs – vor vielen Jahren in Radeberg gegründet wurde, spielte auch der Liegauer Martin Linnemann mit. American Football war damals noch ziemlich neu in Deutschland – gesucht wurden Spieler mit robuster Statur. Und die hatte Martin Linnemann. Nur das Geld, das war knapp beim Verein – und so wurde die Idee geboren, dass die Spieler nebenher Geld damit verdienen könnten, an Diskotheken in Dresden als Türsteher zu arbeiten. So kam es dann auch.

Und Martin Linnemann gefiel das. „Das war natürlich eine ganz andere Welt als bei meiner Ausbildung zum Elektroniker“, erinnert er sich. Und der Start einer erfolgreichen Karriere im Geschäft mit der Sicherheit – heute beschäftigt „Ihre Wache“ rund 300 Mitarbeiter.

Konzerte, Fußball, Flüchtlingsunterkünfte

Neben seiner Lehre begann er in Discos zu arbeiten, „das war sehr lukrativ“, erzählt Martin Linnemann, der seinen Abschluss an der Ludwig-Richter-Schule gemacht und seinen Zivildienst beim Epilepsiezentrum Kleinwachau absolviert hat. Und das Geschäft wuchs – aus dem Einzelunternehmer wurde später eine GmbH, zu deren größten Auftraggebern Dynamo Dresden gehört.

Heute sichern die Mitarbeiter von „Ihre Wache“ überregional Konzerte ab, betreuen die Filmnächte am Elbufer und arbeiten für die Landesdirektion Dresden in Flüchtlingsheimen. In diesem Zusammenhang stand „Ihre Wache“ 2015 bundesweit in den Schlagzeilen: Mitarbeitern wurde vorgeworfen, einen Flüchtling in Dresden gejagt und geschlagen zu haben. Linnemann trennte sich damals von den beschuldigten Angestellten. (Anmerkung: Artikel darunter mit bekannten Neonazi aus Leipzig)

300 Mitarbeiter aus 13 Nationen

„Von unseren 300 Mitarbeitern haben 30 Prozent einen Migrationshintergrund und kommen aus 13 verschiedenen Nationen“, sagt Martin Linnemann. „Darauf bin ich schon stolz.“ In diesem Jahr war der 49-Jährige in der Kategorie „Integration und Inklusion“ für den Sächsischen Unternehmerpreis nominiert.

Vorwürfe, seine Mitarbeiter hätten zum Teil eine rechtsextreme Gesinnung, kontert er: „Jeder Mitarbeiter muss ein sauberes Führungszeugnis vorlegen und vom Gewerbeamt genehmigt werden.“

Das Unternehmen bilde unter anderem in Deeskalation und interkultureller Kompetenz aus. „Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass es da Menschen gibt, denen es gefällt, eine gewisse Macht zu haben. Da gibt es schwarze Schafe. Aber wir alle sind dabei gefragt, aufmerksam zu sein und diese aktiv herauszufiltern, um das Image unserer Branche auf diesem Weg nachhaltig zu verbessern, auch, weil wir nicht alle Freizeitaktivitäten der Mitarbeiter kontrollieren können und wollen.“

Die Firma sei in den letzten 15 Jahren extrem gewachsen, sagt er. „Wir sind professionell neutral und machen zuverlässig unsere Arbeit. Wer das fünf Tage die Woche macht, agiert mit der Zeit unaufgeregt.“ Grundsätzlich gelte in seiner Branche wie in vielen anderen auch: „Wir haben absoluten Fachkräftemangel.“ Der Unternehmer würde sich wünschen, wenn seine ausländischen Mitarbeiter in den Behörden auch mit Englisch weiterkämen. „Das würde sehr helfen.“

Anforderungen an Sicherheit sind gestiegen

Einen kühlen Kopf mussten seine Mitarbeiter auch bei den letzten beiden Großveranstaltungen bewahren, die in Dresden stattfanden. „Ihre Wache“ sicherte sowohl die Konzerte von AC/DC als auch Rammstein ab. Zu seinen 300 festangestellten Mitarbeitern holte Martin Linnemann dafür weitere 1.500 Subunternehmer aus ganz Deutschland nach Sachsen. „Die Konzerte in der Rinne waren in dieser Größenordnung schon eine Herausforderung. Bei anderen Veranstaltungen gibt es zum Beispiel schon festgelegte Notausgänge. Die Sicherheitskonzepte mussten dort alle neu erstellt werden.“

Allein die Einteilung und Unterbringung seiner Mitarbeiter sei eine logistische Herausforderung gewesen. Je nach Erfahrung und Zertifizierung entscheidet „Ihre Wache“, wer zum Beispiel an den Einlässen Eintrittskarten abreißt oder wer direkt an der Bühne an den Wellenbrechern arbeitet. An jeder der 60 Einlassschleusen hatten zum Beispiel drei Sicherheitsleute Dienst.

Und auch der Chef selbst war vor Ort. „Ich bin mit dem Fahrrad von Punkt zu Punkt gefahren“, erzählt Martin Linnemann. „Von den Konzerten habe ich gar nichts mitbekommen.“

Ganz grundsätzlich seien in Deutschland die gesetzlichen Anforderungen in puncto Sicherheit an jede Art von Veranstaltung gestiegen – es gibt einen Schlüssel, der festlegt, wie viele Sicherheitsleute pro Besucher vor Ort sein müssen. „Die Sicherheitsbranche boomt“, sagt Linnemann. „Aber das ist natürlich auch ein Grund, warum Konzerttickets immer teurer werden. Der Gesetzgeber sieht das so vor.“

Engagement für die Heimat

Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer ist Martin Linnemann auch politisch engagiert – bei der Kommunalwahl Anfang Juni ist er für „Wir für Liegau“ in den Liegauer Ortschaftsrat eingezogen. Früher war er auch schon in diversen Elternräten aktiv und regelmäßig als Gast bei den Sitzungen des Ortschaftsrats dabei – nun gehört er zur Ebene der gewählter Mandatsträger.

„Ich will mich für die Vernetzung unter den Unternehmern engagieren“, sagt Martin Linnemann. „Und Liegau soll ein liebenswerter, grüner Ort bleiben. Das ist mir wichtig.“


Ulrich Wolf 20.12.2015

Muskelspiele

Schwarzarbeit, Vorstrafen und eine ahnungslose Behörde: In einer großen Dresdner Asylunterkunft ist ein äußerst zwielichtiger Sicherheitsdienst zum Einsatz gekommen.

Was für ein Mann! 1,84 Meter groß, 94 Kilogramm schwer und erst 18 Jahre jung. Mit diesen Maßen tritt Layth B. Ende April in Fulda auf die Bühne. Voller Hoffnung, einen Coup zu landen bei den Deutschen Jugendmeisterschaften im Bodybuilding. Er post, er räkelt seine Muskeln zur martialischen Musik der Carmina Burana, er atmet schwer, strengt sich an. Doch am Ende langt es nur für Platz fünf.

„Schade, dass Layth nicht die notwendige Härte bringen konnte, da er über eine ausgezeichnete Symmetrie und Muskelproportionen verfügt“, heißt es in einer Kritik auf der Internetseite „Body-Xtreme“.

Ein starker Typ 3: Bei dem Zwischenfall in Dresden wurde Layth B. verletzt. Er war für das Subunternehmen VP Academy aus Lucka im Einsatz, gegen dessen Chef Zoll und Polizei ermitteln.

Ein halbes Jahr später. Wieder lässt Layth B. seine Muskeln spielen. Diesmal als Wachmann in der zweitgrößten sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, in der Hamburger Straße in Dresden.

Im Dress des Dresdner Sicherheitsunternehmens Ihre Wache GmbH jagt er am 23. Oktober einen libanesischen Flüchtling quer über den Innenhof. Als der stolpert, versucht B., ihn zu treten. Dann schlägt er ihn auf den Hinterkopf, tritt ihn in den Oberschenkel. Doch erst zwei Kollegen von B. gelingt es, den Libanesen an einer Eingangstür niederzuringen. Der 18-jährige B. hatte wohl die Nerven verloren.

Als die Sächsische Zeitung erstmals darüber berichtete, erklärte Wache-Geschäftsführer Martin Linnemann: Einen Tag vor der Jagdszene im Hof habe das Deutsche Rote Kreuz als Betreiber der Asylunterkunft Zimmerkontrollen angeordnet.

„Das Gebäude ist fast komplett mit Teppich ausgelegt, das Rauchen strikt verboten“, sagte Linnemann. Dem Libanesen habe das aber nicht gepasst. Er und seine Zimmermitbewohner hätten aggressiv auf die Kontrollen reagiert. Am nächsten Morgen sei man sich auf dem Innenhof wieder begegnet, da sei sein Wachmann von dem Libanesen mit einem Stein angegriffen worden.

Sechs Wochen später lässt Linnemann via Anwalt mitteilen:

„Bei den Personen, die in den Vorfall verwickelt gewesen sein sollen, handelt es sich ausschließlich um selbstständige Subunternehmer mit Sicherheits- und Bewachungsgewerbeerlaubnis.“

Die Zusammenarbeit sei umgehend aufgekündigt worden. Gerade bei dem betroffenen irakischen Wachmann habe er sich wegen dessen arabischer Sprachkenntnisse eine vermittelnde Funktion erhofft.

„Das Ereignis macht jedoch klar, dass ein gewisses Restrisiko bleibt, und es nicht möglich sein wird, jede private Aktivität eines Mitarbeiters zu überprüfen.“ Wie der Wache-Chef zu B. gekommen ist, lässt er zunächst offen. Verträge mit Subunternehmern sind in der Branche ein wohlgehütetes Geheimnis.

Der Versuch, es wenigstens in diesem einen Fall zu lüften, führt nach Leipzig. Am Hauptbahnhof wartet ein Mann, Mitte 40, kräftig. Er stellt sich als Berater vor. Sein Auto ist geräumig, in den Veloursitzen sind Brandflecken von Zigarettenasche. Nach wenigen Minuten Fahrt lenkt er den Wagen in die Tiefgarage eines Bürohauses im Stadtteil Reudnitz. Im Flur vor dem Aufzug ist das Licht kaputt.

„Sie wissen schon, dass es in der Szene recht ordentlich zur Sache geht“, sagt er im Stockdunklen. „Ich werde selbst massiv bedroht.“ Nach knapp einer Minute kommt endlich der Fahrstuhl.

Es geht hinauf in den dritten Stock. FDC Consulting steht auf der Bürotür. Offensichtlich hat der Mann tatsächlich was mit Beratung zu tun. „Ja klar“, sagt er. „Was haben Sie denn gedacht?“

Er bilde Fachkräfte aus für Wach- und Sicherheitsdienste, und zudem sei er in der Schuldnerberatung tätig. „Die Klientel ist mitunter deckungsgleich.“ Andreas Kauder-Wald heißt der Berater, 43 Jahre alt, gebürtiger Hesse.

Seit September 2013 ist er in Leipzig tätig. Vor sechs Jahren hat Kauder-Wald mal Schlagzeilen gemacht: als Vertriebschef einer Maschine namens „Kickomat“, die Fußbälle auf 120 Stundenkilometer beschleunigt.

In seinem Büro wartet Besuch. Ein Mann sitzt dort. Schwarze Haare, strenger Scheitel, stämmig. Am rechten Unterarm prangt eine Narbe. „Da hat mir mal einer ein Messer reingerammt“, sagt der Mann.

Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Er sagt, er habe mal mit einem Kumpel eine Sicherheitsfirma gehabt, „doch mit dem Typen gibt es nun nur noch Ärger“. So viel Ärger, dass die Staatsanwaltschaft ermittle. „Gegen mich auch“, ergänzt Berater Kauder-Wald.

Dann erzählen die beiden Männer kettenrauchend fast zwei Stunden lang über einen Menschen, den sie für einen „Ausbeuter“ halten, „für einen Betrüger, der uns alle reingeritten hat“.

Sie reden über Christian Pohle, den Chef einer Sicherheitsfirma namens VP Academy. Kauder-Wald sortierte in dieser Firma zwei Jahre lang die Buchhaltung, der Mann mit der Narbe war der Kompagnon von Pohle.

Die VP Academy war im Oktober im Auftrag von Wache-Chef Linnemann als Subunternehmen in der Asylunterkunft Hamburger Straße tätig.

Merkwürdig ist allerdings: Der Geschäftsbetrieb der VP Academy ruht bereits seit Ende Juni. Gegen den zuletzt amtierenden Chef dieser Firma, besagten Christian Pohle, ermitteln das Hauptzollamt Dresden und die Staatsanwaltschaft Leipzig. Die Vorwürfe reichen von Bedrohung über Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung bis hin zu Untreue. In der VP-Personalliste sind mindestens vier der in Dresden eingesetzten Mitarbeiter nicht zu finden, auch Bodybuildertalent Layth B. nicht. Mindestens zwei dieser vier Security-Leute sind vorbestraft.

Sie kommen aus einer Szene, in der es ebenfalls viel um Muskeln geht: dem Thai- und Kickboxen. Auch für Pohle selbst trifft das zu. Der inzwischen 31-Jährige war im Wurzener Kampfsportclub „Fighting Fellas Brotherhood“ aktiv. Vor seiner Selbstständigkeit verdiente er sein Geld bei der Black Rainbow Security in Leipzig.

Deren Leute waren massiv beteiligt am monatelang tobenden Türsteherkrieg: Damals, in einer Frühjahrsnacht 2008, knallte, klirrte, rumste es stundenlang in Leipzig. Scheiben zerbarsten, Knochen gingen zu Bruch, Mobiliar wurde zertrümmert, Fäuste flogen, und irgendwann fiel ein Schuss:

Ein unbeteiligter Partygast starb vor einer Bar; er war ein unbeteiligtes Opfer in einem Kleinkrieg zwischen der „Vereinigung der ostdeutschen Türsteher“ auf der einen und einer arabisch-albanischen Gang auf der anderen Seite. Die Black Rainbow Security übersteht den Krieg. Zum 20-jährigen Bestehen im Januar 2013 spendiert sie ihren Kunden, Mitarbeitern und Gästen die Veranstaltung „Ostdeutschland kämpft“ in der Großraumdiskothek „Sax“ in Schkeuditz.

Muskeln und Männlichkeit sind für Pohle Synonyme. Der bekennende Anhänger des Fußballvereins Lok Leipzig hat seine Klamottenläden in Eilenburg, Halle und Leipzig „Crash Style“, „Crash’n’Fight“ oder „Fighting Catwalk“getauft.

Er hat dort Marken wie Yakuza, Brachial oder Label 23 verkauft, allesamt sind in der rechten Kampfsport-Szene besonders beliebt. Einer von Pohles Leuten hat sich im Internet den Spitznamen „Yakuza Million“ zugelegt, ein anderer schreibt auf Facebook: „Seit gegrüßt ihr niggar. Wat geht ab bei euch.“

Oder: „Bürger dieses Landes steht auf wie zur Wende. Scheißt der merkeln vorm Palast und erklärt ihr was im unser Land falsch läuft.“ Beide Männer waren als Sicherheitskräfte in der Hamburger Straße in Dresden tätig. Das belegen Fotos von dem Vorfall, die der Redaktion vorliegen.

Wache-Chef Linnemann versichert, er habe von den Ermittlungen und Vorwürfen gegen die VP Academy und Pohle nichts gewusst, zu angeblichen Vorstrafen von Mitarbeitern könne er keine Angaben machen.

Die Landesdirektion Sachsen als Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtung in der Hamburger Straße schreibt in einer Stellungnahme, man habe weder die Zuverlässigkeit der Firma VP Academy noch die ihres Geschäftsführers angezweifelt, denn:

„Die Erlaubnis, ein Bewachungsgewerbe zu betreiben, war von der zuständigen Behörde erteilt worden.“ In dem entsprechenden Bescheid heiße es:

„Die beizubringenden Unterlagen und Nachweise zur Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit sind vorgelegt worden. Tatsachen, welche die Versagung der beantragten Erlaubnis rechtfertigen würden, sind im Erlaubnisverfahren nicht bekannt geworden.“

Obwohl die VP Academy seit Ende Juni inaktiv ist? Obwohl das Hauptzollamt Dresden gegen den Chef der Firma seit dem Frühjahr 2014 ermittelt? Obwohl Mitarbeiter von ihm vorbestraft sind?

Pohle selbst will sich nicht äußern. Das für ihn zuständige Gewerbeamt Altenburger Land teilte auf Anfrage mit, es habe in der Tat am 10. September der VP Academy die entsprechende Erlaubnis erteilt. Bis zum heutigen Tag habe die Firma jedoch „keine bestätigten Beschäftigten“. Das Ermittlungsverfahren gegen Pohle sei nicht bekannt gewesen.

„Das wundert mich alles gar nicht“, sagt Pohles Ex-Partner, der Mann mit der Narbe, im Büro von Berater Kauder-Wald. Die Branche sei doch mit den Gewerbeämtern eng verkuppelt. Mit den notwendigen Bescheinigungen der Industrie- und Handelskammern werde Schindluder betrieben.

Das sei lukrativ. „Ein Sub zahlt 5,50 Euro die Stunde schwarz auf die Hand, der Flächentarif liegt bei 8,80 Euro.“ Auf der Rechnung an den Hauptauftragnehmer stünden 6,50 Euro. „Und der verlangt vom Betreiber, etwa der Landesdirektion, bis zu 20 Euro.“

Da wegen der Flüchtlingskrise der Markt für Sicherheitskräfte so gut wie leer gefegt ist, spielten die Preise für die Auftraggeber kaum mehr eine Rolle. „Es geht nur noch darum, Leute zu finden – egal, ob die dafür ausgebildet und zuverlässig sind.“

Auch die Leipziger Industrie- und Handelskammer warnt: „Die Zahl der gefälschten Bescheinigungen im Bewachungsgewerbe hat in den vergangenen Monaten drastisch zugenommen.“

Christian Hartmann kennt das Problem. Sogar ziemlich genau. Der frühere Polizistenausbilder und jetzige innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag ist Anfang Dezember zu Gast im Dresdner Bildungsinstitut Saxonia. Er steht vor einer kleinen Schar Sicherheitschefs und räumt „Fehlentwicklungen“ bei der Bewachung von Asylunterkünften ein. Es gebe in Sachsen „Standorte mit erheblichen Problemen“. Vor allem die Subunternehmen verursachten „ein Wirrwarr, der kaum mehr zu kontrollieren ist.“

Abhilfe soll nun das Anfang Dezember beschlossene „Sicherheitsrahmenkonzept für Erstaufnahmeeinrichtungen“ schaffen. Darin stellt Sachsens Politik deutlich höhere Anforderungen an das eingesetzte Wachpersonal als bislang. So sollen nur noch Wachdienste mit einem Qualitätsmanagement zum Einsatz kommen. Die Wachleute müssen neben einem Führungszeugnis auch Qualifikationsnachweise erbringen und eine Erklärung über mögliche Vorstrafen abgeben. Vor allem aber heißt es: „Der Einsatz von Subunternehmen wird grundsätzlich ausgeschlossen.“

So weit die Theorie. In die Praxis wird das Konzept derzeit kaum umzusetzen sein. „Anspruch und Wirklichkeit beißen sich derzeit“, räumt CDU-Innenpolitiker Hartmann ein. Beim Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen, bei der Landesdirektion Sachsen, heißt es:

„Sollte sich herausstellen, dass es bei den formulierten Forderungen keine Bewerberlage mehr gibt, wird man andere Lösungen suchen müssen.“ Und sogar im Text des Sicherheitskonzepts selbst wird im Passus zum Verbot der Subunternehmen eingeschränkt: „Ausnahmen zur Überbrückung temporärer Engpässe bedürfen der Zustimmung durch die Landesdirektion.“

Der Markt für Wachpersonal ist leer gefegt. Eine Führungskraft des großen Branchenunternehmens Securitas sagt, er könne allein für den Großraum Dresden sofort 150 Leute einstellen.

„Es gibt aber keine mehr, zumindest keine, die wir in Flüchtlingsheimen einsetzen könnten.“ Zumal sich die wenigen, die es gegeben habe, nun bei der gerade beschlossenen Wachpolizei beworben hätten. Die gemeinhin als „Hilfssheriffs“ titulierten Wachpolizisten sollen die Personallage bei der sächsischen Polizei entspannen.

Vom Juni an kommen 550 von ihnen zum Einsatz, befristet auf zwei Jahre. Anschließend winkt eine Übernahme in den Polizeidienst. Für viele Security-Mitarbeiter ist das ein lukratives Angebot.

Wie leer der Markt ist, zeigt sich auch am Beispiel des Seminars „Sicherheit“ im Saxonia-Bildungsinstitut. Bislang, sagt Ausbilder Axel Teuber, reichten 40 Stunden Unterricht aus, um sich als Sicherheitskraft bezeichnen zu dürfen. „Nach einem Anwesenheitslehrgang, bei dem man nur eines nicht darf: vom Stuhl fallen.“

Teubers Kurs setzt mehr auf Hirn als auf Muskeln: 230 Stunden stehen auf dem Programm, inklusive einer Abschlussprüfung. Konzipiert für rund 20 Teilnehmer, gefördert von der Agentur für Arbeit und trotz kräftigem Rühren der Werbetrommel hat Teuber für die erste Runde „mühevoll sechs Leute zusammenbekommen“.